strohballenatelier

atelier dorothea schrade, diepoldshofen
 

 

dorothea schrade erzählt die entstehungsgeschichte:

es kann nicht anders sein: ich bin ein glückskind.

da sitze ich, ohne atelier (vernichtet durch brand), eingezwängt in einer stube, male kleinformate, fühle mich verklemmt und eingeengt.

da kommt der alte freund adrian zu besuch und wir reden übers bauen im allgemeinen und im speziellen übers bauen mit lehm – meine spezialität – und über den strohballenbau und über fenster aus mochental die bei mir lagern (immerhin schlossfenster) und da kommt adrian eine zündende idee: wir machen einen experimentellen bau aus strohballen, holz und den mochentaler fenstern! ein neues atelier! seine leute werden entwerfen und selber bauen, ich habe nur die materialkosten. ein wunder!

aus lauter begeisterung verschicke ich einladungen zum richtfest bevor irgendetwas gemacht ist. aber schier nicht zu glauben – alles klappt. an einem freitag erscheinen vierzehn leibhaftige engel in arbeitsmontur aus adrians büro, allen voran der oberengel, klein, zierlich, taff: selina. selina, zuständig für entwurf, behördengänge, organisation, kooperation. und das räderwerk läuft. in gelassener, freundlicher stimmung, trotz regen, trotz wechselnder besetzung, wächst vor meinen staunenden augen an vier oder fünf freitagen und fünf samstagen ein wunderwerk aus stroh, holz und glas aus dem boden. trotz einem lächerlich kleinen grundriss fühlt man sich beim eintritt so, als betrete man eine kathedrale. ein großes ausschnaufen, ein tiefes einatmen. der wunderbare geruch nach stroh. das licht durch die hohen fenster. es ist auch schon ein großes bild entstanden, mit mochentaler kühen.

inzwischen ist das laub von den bäumen und man sieht das bisher verborgene kleinod von der straße aus. und es sieht aus, als wäre es schon immer da gewesen, eben wie gewachsen.

 

würdigung

keine showadresse. das atelier drängt nicht danach, gesehen zu werden. unglück und chance für neues, wie nahe das beieinander liegt – und wie mutig diese chance ergriffen wurde! auf kleinem raum, in stimmigen proportionen, mit geringem und doch achtsam dimensioniertem materialeinsatz wurde große atmosphäre geschaffen. viel übereinstimmende radikalität zwischen bauwerk und glücklicher bauherrin kommt hier zum ausdruck.

vollkommenheit war dabei nicht ziel, auch nicht die schaffung eines kunstwerkes. künstlerische haltung wird hier auf anderer ebene sichtbar. der mut zum gelungenen, aber auch entwicklungsfähigen experiment hat so viel reibungsfläche wie zukunft. In diesem sinne ist das entstandene atelier nicht nur erlebnis, sondern ebenso prozesshafte forschungsstation.

mit den worten von hugo häring: eine polierte metallkugel ist zwar eine phantastische angelegenheit für unseren geist, aber eine blüte ist ein erlebnis.

 

fazit büro hochstasser:

wir hatten spaß! das projekt war freiwillig und sollte vor allem freude am gemeinsamen erschaffen bringen. im zuge der pandemie sind viele im homeoffice geblieben – hier hatten wir die möglichkeit alle als team wieder zusammenzukommen und mit muskelkraft und kreativität abstand vom alltäglichen bürowahnsinn zu bekommen. von der gemeinsamen erfahrung werden nicht nur wir noch lange zehren.

standort: diepoldshofen
fertigstellung: 2022
bauherr: dorothea schrade
auszeichnungen: hugo-häring-auszeichnung 2023
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